
Wenn zwei Seelen sich wählen
- René Hope
- 29. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Über wahre Begegnung, Freiheit und Liebe
Es gibt Momente in meinem Leben, die sich erst viel später als Wegweiser entpuppen. Besonders auf meinen Reisen, weit weg von allem Vertrauten, habe ich unzählige Menschen getroffen: manche flüchtig, manche bedeutungsvoll, manche nur für einen Augenblick – und doch haben sie etwas in mir bewegt. Jede Begegnung hat ein Stück meines inneren Horizonts erweitert, auch wenn ich damals vielleicht noch nicht verstand, wohin das alles führen sollte.
Oft dachte ich, es ginge in Beziehungen darum, endlich jemanden zu finden, der bleibt. Jemanden, der mich versteht, mich ergänzt, meine Leere füllt, meine Schatten besänftigt. Doch je mehr Menschen ich traf, je mehr Orte ich durchwandert habe, desto klarer wurde mir:
Wir verwechseln zu oft Liebe mit Bedürftigkeit, Verbindung mit Halt, Partnerschaft mit Rettung. Viele hoffen, dass der andere die innere Wunde heilt, die sie selbst nicht anschauen wollen. Und so kreisen zwei unvollständige Seelen umeinander, in der stillen Erwartung, dass einer von beiden das fehlende Licht bringt. Wir sind nicht auf diese Erde gekommen, um ein Gegenstück zu suchen, das uns heilt, komplettiert oder rettet. Wir sind hier, um uns selbst zu erkennen. Um durch Erfahrungen zu wachsen, durch Schmerz bewusster zu werden und durch Begegnungen tiefer zu verstehen, wer wir wirklich sind. Und manchmal tragen gerade jene Begegnungen, die zerbrechen, die größten Samen des Erwachens in sich.
Vielleicht scheitern so viele Begegnungen, weil sie nie als das verstanden wurden, was sie eigentlich sind: ein Weg, ein Spiegel, ein Raum für Wachstum. Um durch Begegnungen wachgerüttelt zu werden. Um zu lernen, unsere eigenen Schatten auszuhalten.
Denn solange wir einen Partner brauchen, um uns vollständig zu fühlen, bewegen wir uns im Kreis des Mangels. Solange wir hoffen, dass jemand unsere Wunden überdeckt, übergeben wir ihm unbewusst die Macht über unser Inneres. Liebe wird dann zu einer Flucht vor uns selbst – und Begegnung zu einem Versuch, im anderen zu finden, wozu wir selbst noch keinen Zugang haben.
Doch wahre Liebe beginnt dort, wo die Notwendigkeit endet. Und erst dann, wenn wir innerlich heimkehren, wenn wir erkennen, dass wir bereits vollständig sind, verändert sich alles.
Zwei erwachte Seelen begegnen sich nicht aus Notwendigkeit. Sie begegnen sich, weil sie bereits wissen, wer sie sind. Weil sie gelernt haben, ihre Schatten anzuschauen, ihre eigenen Wunden zu halten und die Verantwortung für ihr Herz selbst zu tragen. Sie suchen keine Bestätigung, keine Rettung, keinen emotionalen Anker – sie begegnen sich aus Freiheit. Sie begegnen sich, weil beide wählen.
Dann wird Liebe zu etwas anderem. Eine Liebe, die nicht klammert, sondern atmet. Nicht fordert, sondern versteht. Nicht ergänzt, sondern erweitert. Vielleicht scheiterten viele meiner eigenen Beziehungen, weil ich noch glaubte, dass Liebe ein Ort sei, an dem man „ankommt“, statt ein Weg, der uns verändert. Vielleicht musste ich erst durch meine eigenen Schatten gehen, um zu erkennen, dass es niemals darum ging, im Außen etwas zu finden – sondern in mir selbst heimzukehren.
Und vielleicht ist es genau dann, wenn wir diese innere Heimat gefunden haben, dass sich zwei vollständige Seelen tatsächlich berühren können – frei, bewusst, erwählt.
Nicht aus Mangel.
Sondern aus Liebe.



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