
Durch das Tor
- René Hope
- 23. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Manchmal beginnt eine innere Reise nicht mit einem Schritt, sondern mit einer leisen Erinnerung. Einem Gefühl, das aus einer Tiefe kommt, die älter ist als man selbst. Etwas in mir wusste schon lange, dass meine Geschichte nicht allein aus meinem eigenen Leben besteht, sondern aus den Spuren meiner Ahnen – aus ihrem Mut, ihren Verlusten, ihren ungeheilten Wunden.
Wir alle tragen Licht und Dunkelheit in uns, aber ich verstand erst spät, dass beide Kräfte Teil derselben Wahrheit sind. Ohne Tiefe keine Höhe. Ohne die Nacht kein Morgen. Und ohne die Schatten kein Erwachen.
Vielleicht fiel mir die Suche nach meiner eigenen Männlichkeit so schwer, weil mein Vater früh starb. Ich kannte ihn kaum, und dennoch begleitet mich seine Geschichte bis heute. Keine Erfahrung, kaum ein handwerkliches Können konnte er mir weitergeben - aber sein Erbe trage ich in meinen Zellen. Die Jahre seiner Gefangenschaft. Die Vertreibung seiner Familie. Die zerrissenen Wurzeln zwischen Ungarn und der Slowakei, woraus die Familie meiner Mutter vertrieben wurde.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so oft heimatlos fühlte. Nicht fehl am Platz - sondern verteilt über mehrere Orte, mehrere Kulturen, mehrere Geschichten.
Doch je tiefer ich hineingehe in diese Vergangenheit, desto mehr Kraft finde ich.
Ich entdecke Muster, die nicht mir gehören, aber durch mich hindurch wirken. Ich erkenne Wunden, die ich heilen darf - für mich, und für jene, die vor mir kamen.
Das Dunkle in mir war nie ein Fehler. Es war eine Einladung, zurückzufinden zu dem, was ich verloren glaubte. Es war das Tor zu meiner eigenen Stärke.
Vielleicht liegt genau darin meine Aufgabe:
Die Wahrheit zu suchen, die unter dem Schweigen liegt.
Mut zu schöpfen aus den Geschichten meiner Ahnen.
Und zu begreifen, dass mein Weg nicht nur nach vorne führt, sondern zurück zu den Wurzeln, die mich tragen.
Für all das bin ich dankbar.
Für jeden Schritt, jede Prüfung, jeden Schatten, der mich gelehrt hat, wer ich wirklich bin – und wer ich noch werden darf.



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